Gedanken zu einer Gesundheitsreform in Österreich:


Angestellte Ärzte Langer Arbeitstag Verbesserung durch Zwangsmaßnahmen?

Nach einer europaweiten Umfrage sind die Österreicher von allen EU Ländern am zufriedensten mit ihrem Gesundheitssystem (Quelle: ORF Teletext). Dabei ist unser Gesundheitssystem bei weitem nicht das teuerste in Europa. Das ist wirklich ein Grund zum Feiern und ich bin sehr stolz darauf, daß ich mit meiner Arbeit und meinen Bemühungen um meine Praxis und meine Patienten ein Teil von diesem System bin und ein wenig Anteil an diesem Erfolg habe. Die Idee dieses System reformieren zu wollen scheint mir ein Wahnsinn zu sein. Was wollen wir denn noch erreichen als die zufriedensten Patienten von Europa?? Es ist bekannt, daß verschiedene Funktionäre und Leute auch in unserem Land daran arbeiten unser Gesundheitssystem reformieren zu wollen. Ich habe den konkreten Verdacht, daß es dabei mehr um persönliche Interessen und Motive dieser Leute geht, die ihre Macht und ihren Einfluß ausbauen wollen, und nicht um die Patienten. Auch der Neid auf erfolgreiche Mitmenschen spielt wie üblich eine Rolle. Ich mühe mich selbst zum Beispiel seit über zwanzig Jahren überdurchschnittlich intensiv und mit hohem persönlichen Einsatz damit ab meine Praxis für meine Patienten attraktiv zu machen. Es ist mein Ziel für meine Patienten mit der selben persönlichen Verantwortung für sie zu sorgen, die vor 2000 Jahren der Pater in einer römischen Familie für seine Familienmitglieder innehatte. Wenn mit diesen fortwährenden Bemühungen nicht auch ein ausgezeichneter wirtschaftlicher Erfolg zu erzielen wäre, würde ich all die Mühen und Plagen sicher nicht auf mich nehmen. Ob dann die Patienten wohl noch lange zufrieden wären?

Flugzeug mit dem Banner: "WILLKOMMEN"

Ich habe in meinem Leben fünf Jahre lang als angestellter Arzt in verschiedenen Institutionen gearbeitet. Ich weiß genau, wie ich als angestellter Arzt gedacht und gehandelt habe.
Seit über zwanzig Jahren arbeite ich nun selbständig in meiner Praxis und weiß daher auch, wie ich als wirtschaftlich eigenverantwortlicher Freiberufler denke, wo mein Einkommen davon abhängt, ob meine Patienten mit mir zufrieden sind.


Für einen angestellten Arzt ist jeder Patient der hereinkommt eine unangenehme Störung. Jedes Mal wenn die Türe aufgeht denkt man insgeheim: "Ach wärst Du doch nur zu Hause geblieben, dann hätte ich jetzt meine Ruhe!" Logisch: man wird ja dafür bezahlt eine gewisse Anzahl von Stunden Dienst zu machen und hat persönlich überhaupt nichts davon, wenn viele Patienten die Institution aufsuchen, in der man angestellt ist. Es gibt natürlich Patienten, die man mag, und die sich auch normal und nett verhalten. Bei denen macht man seine Arbeit oft ganz gerne. Es gibt aber auch viele Patienten, deren Verhalten so gestört und unkooperativ ist, daß es dafür im Grunde keine Entschuldigung gibt .Und unsere schwere und nervenaufbrauchende Arbeit ist wirklich oft kein Vergnügen und spielt sich in einem Bereich ab, der noch hinter dem normalen Intimbereich eines Menschen liegt. Und da sieht es nicht immer einladend und appetitlich aus.

 

Wie überall in der freien Welt ist wirtschaftlicher Anreiz eine wichtige Triebfeder für das Bemühen seine Kunden oder Patienten wirklich zufrieden zu stellen, und nicht bloß "ruhigzustellen", wie das bei ideologisch organisierten Gesundheitssystemen ganz klar der Fall ist.

 

Wenn ein angestellter Arzt, der in irgendeiner Organisation dafür bezahlt wird eine gewisse Zeit lang Dienst zu machen, einmal an einem Nachmittag einmal sehr viele Patienten zu behandeln hat, dann wird sein ganzes Sinnen und Trachten darauf Der Denkerhinarbeiten in Zukunft derartige Katastrophentage zu vermeiden. Und Gründe dafür seine Arbeit langsamer zu machen als bisher lassen sich bei einigem guten Willen ohne Zahl finden. Man ist ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Da kann man angebliche Verantwortung und angeblich notwendige Arbeitsschritte und Dokumentationen bemühen und erfinden, die ein schnelleres Arbeiten eben einfach unmöglich machen. Die Ineffizienz und die langen Wartezeiten der verstaatlichen Gesundheitssysteme des ehemaligen Ostblocks, aber auch das schauerliche Bespiel des englischen Gesundheitssystems sind hier Lehrbeispiele. Es gibt aber auch Beispiele aus Österreich: unsere Richter sind offenbar zu schlecht bezahlt, denn wie sonst wäre es zu erklären, daß sich die einfachsten Prozesse bei uns über Monate und Jahre hinziehen?? Hätten die Richter auch nur irgendein persönliches Interesse daran die Verfahren zügig abzuwickeln, bräuchte man nicht so lange auf ein Urteil zu warten. Würde man dieses System auf den Bereich der Gesundheit übertragen wären wir alle schon tot. Das ist keine Kritik an den Richtern, die sich so verhalten wie Menschen eben sind, sondern es ist eine Kritik an einem leistungsfeindlichen System, das demotivierend wirkt. Bekanntlich ist der Kommunismus in Wahrheit daran eingegangen, daß der Einzelne keinen Vorteil erlangen konnte, wenn er sich eingesetzt und bemüht hat. In der Folge haben alle Beteiligten in einem derartigen Ausmaß gefaulenzt und mit schwejkscher Pfiffigkeit die Pläne der Wirtschaftsplaner konterkariert, daß das ganze System schlußendlich an seiner Ineffizienz gestorben ist.

Ein Arzt in einer eigenverantwortlichen Praxis, der auch so einen anstrengenden Arbeitstag mit sehr vielen Patienten hinter sich gebracht hat wie sein oben beschriebener angestellter Kollege, der wird zweifellos am Abend auch sehr müde sein. Im Unterschied zu dem angestellten Arzt wird er sich aber bis zum letzten Patienten voll einsetzen und sehr um die Zufriedenheit seiner Kunden bemüht sein, weil er ja will, daß sie als Patienten wiederkommen und ihn auch weiterempfehlen. Der wirtschaftliche Erfolg ist nun einmal die Triebfeder dafür, daß man sich überdurchschnittlich einsetzt und bis zur letzten Minute mit vollem Einsatz arbeitet.

Tonleiter der Fortbildung Ich bilde mich zu Beispiel für meine Arbeit in meiner Praxis deshalb fort, damit ich für meine Patienten ein Angebot bereitstellen kann, das sie begeistert, und das sie zu zufriedenen Kunden macht. Aus dem gleichen Grund bemühe ich mich auch nach Kräften diese neuen Dinge in der Praxis so angenehm und schmerzfrei wie möglich zu realisieren und für die Patienten attraktiv zu machen. Das ist eine gesunde und positive Motivation, die auf dem Wettbewerb zwischen den einzelnen Praxen beruht. Und es macht durchaus Spaß sich diesem Wettbewerb mit einer sportlichen Einstellung zu stellen und mit seinen Anstrengungen Erfolg zu haben.

Es ist ein Irrtum, wenn manche Leute meinen, mit der Verordnung von Zwangsfortbildung könnte man bei angestellten Ärzten auch nur annähernd ein vergleichbares Ergebnis erzielen. Sicher: man kann Menschen bei Androhung diverser Sanktionen dazu zwingen sich in Fortbildungsveranstaltungen hineinzusetzen. Aber durch den unschönen Zwang erzeugt man automatisch eine Oppositionshaltung der Betroffenen, die den Erfolg der ganzen Maßnahmen verhindert. Mit so einer Zwangsbeglückung kann man nur mißmutige, verdrossene Gesundheitsbeamte erzeugen. Wir alle sind aber freiheitsliebende, demokratisch gesinnte Menschen und haben eine natürliche Abneigung gegen jede Art von Zwang und Zwangsbeglückung. Zwangsfortbildung wird also keineswegs die Ergebnisse für die Gemeinschaft und die Patienten bringen, die man davon erhofft. Aber manchen Funktionären geht es ohnehin weniger um diese Ergebnisse als darum die Ärzte zu maßregeln und zu ärgern. Denken Sie nicht daß es solche Leute nicht gäbe!


Bericht über England
Die positiv motivierte Fortbildung aus der Idee der Verbesserung des eigenen wirtschaftlichen Standpunktes ist die wesentlich wirksamere Strategie. Ich bin sehr stark motiviert, wenn es darum geht meine Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Ich verspüre aber nur negative und destruktive Gefühle, wenn ich zu Zwangsveranstaltungen genötigt werde. Da kommt nichts Positives dabei heraus. Es ist mit unserem Demokratieverständnis nicht vereinbar, wenn "Verbesserungsvorschläge" für unser Gesundheitssystem auf Zwangsmaßnahmen basieren. Schlechte Bezahlung und daraus resultierendes Desinteresse an den betreffenden Behandlungen sind in der Praxis geradezu eine Garantie dafür auch schlechte Leistungen zu erhalten. Niemand läßt sich gerne für dumm verkaufen und an der Nase herumführen. Illustriert wird diese Binsenweisheit zum Beispiel durch den Artikel über die Praxis der Behandlung von kindlichen Frontzahnunfällen in England, den ich aus dem schweizer Zahnarztmagazin "The Dentists Newsletter" entnommen habe, und den ich hier nebenan für Sie abbilde (bitte anklicken). Das Thema "Kindliche Frontzahnunfälle" ist aber nur ein kleines Beispiel von vielen hunderten Themen, die in der Zahnheilkunde wichtig sind. Daß Zwang und Kontrolle langfristig nicht funktionieren hat auch die ehemalig DDR gezeigt. Dort hat man ja versucht ein Zwangs und Vernaderungssystem aufzubauen, bei dem fast jeder jeden kontrollierte. Der Mißerfolg dieses Systems ist allgemein bekannt.

Der Zeppelin

Es ist übrigens interessant, daß aus gerechnet die konservative Regierung von Maggy Thatcher in England, die in der Wirtschaft voll auf Privatisierung und die Kräfte des freien Marktes gesetzt hat, daß also ausgerechnet diese Regierung im Gesundheitswesen den (idealen?) Kommunismus wieder eingeführt hat, und damit einen der entsetzlichsten Flops auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik gelandet hat, der in der neueren Geschichte bekannt ist. Auf dem linken Auge neoliberal kapitalistisch zu sehen und zu handeln und auf dem rechten Aug durch die rosarote Brille des idealen Kommunismus zu schauen, der in der Realität ja 1989 endgültig gescheitert ist, das macht ja wirklich keinen Sinn. Die Menschen, die auf dem Gebiet der Gesundheit arbeiten sind in ihrer Grundstruktur ja auch nicht anders beschaffen als jene die auf anderen Gebieten der Wirtschaft tätig sind. Wer erkannt hat, warum verstaatlichte Betriebe wirtschaftlich nicht funktionieren, dem sollte auch klar sein, daß eine Verstaatlichung der Gesundheit in einem Desaster endet. Damit kann man zwar erreichen, daß Ärzte weniger verdienen und weniger Einfluß haben, aber man bekommt ein Heer von unzufriedenen, unglücklichen Patienten, die endlos warten müssen auf ungenügende und insuffiziente Behandlung durch frustrierte, unzufrieden Ärzte. Das Interesse mancher Funktionäre ist darauf konzentriert den Ärzten zu schaden, und das Wohl der Patienten ist ihnen dabei nicht so wichtig. Der Neid auf den Erfolg von hart arbeitenden Mitmenschen läßt ihnen keine Ruhe. Die Gesundheitssysteme des Ostblocks haben aber gezeigt daß mit einem verstaatlichten Gesundheitsdienst mit angestellten Ärzten nur eines zu erreichen ist: eine maximale Anzahl von im Gesundheitssystem arbeitenden, schlecht bezahlten Menschen die eine maximale Anzahl von unzufriedenen, mangelhaft betreuten Patienten mißmutig und unwillig behandeln. Freude haben an so einer Entwicklung nur jene Funktionäre, die dann an den Schalthebelchen der Macht sitzen, und Posten und Pöstchen an ihre Günstlinge vergeben können. Einige Leute in unserem Land sind ganz wild darauf dieses andernorts bereits gescheiterte Experiment in unserem Land zu wiederholen. Behandeln lassen sich diese Leute, wenn sie einmal krank sind, dann aber sicher als Privatpatienten, und nicht als Kunden des von ihnen geschaffenen Monstergesundheitsdienstes.

Kurier vom 22.3.2005

Gerade auch auf dem Gebiet der Zahnheilkunde halte ich unser österreichisches Gesundheitssystem für vorbildlich. Durch die Sozialversicherung ist bei uns sichergestellt, daß niemand Zahnschmerzen zu haben braucht und wenn jemandem Zähne fehlen, so wird von der Sozialversicherung ein zweckmäßiger Zahnersatz zur Verfügung gestellt, damit er wieder beißen kann. Mehr kann man von einem staatlichen Gesundheitssystem wirklich nicht verlangen. Nicht einmal im reichen Deutschland, vor dem durch Wiedervereinigung und Osterweiterung ausgelösten wirtschaftlichen Zusammenbruch, hat man es sich leisten können allen Bürgern teure Zahnkronen zu finanzieren. Ganz zu schwiegen von Implantaten, kosmetischen Zahnregulierungen und anderem Luxus, den man sich auf dem Gebiet der Zahnheilkunde leisten kann. Die Entscheidung darüber, was man sich leisten will, sollte aber, so wie bei uns, dem einzelnen Bürger überlassen bleiben. Schon alleine aus dem Grund, daß man seinen aufwendigen Zahnersatz entsprechend pflegen muß, wenn er nicht in kurzer Zeit kaputt gehen soll. Dinge für die man sich aus eigener Entschlußkraft entschieden hat, und die man auch selbst bezahlt hat, die pflegt man dann auch meist entsprechend. Das ist absolut notwendig, wenn Zahnersatz sinnvoll funktionieren soll.

 

Idealzustände gibt es nirgendwo auf der Welt. In unserem Land aber ist nach dem Krieg in jahrzehntelanger Entwicklung ein Gesundheitssystem gewachsen, das nach allen Richtungen hin ausgewogen ist, und mit dem die Patienten am zufriedensten von allen europäischen Gesundheitssystemen sind. Wir alle, Patienten wie Ärzte, sollten darum kämpfen, daß man uns dieses Gesundheitssystem nicht wegrationalisiert und kaputtreformiert, aus welch Gründen auch immer.

 

Die Patienten würden aber bald den Unterschied bemerken, den es ausmacht ob man ein umworbener Kunde ist oder aber ein de facto Bittsteller in einer Art Gesundheitsamt.

Wir haben in Österreich die zufriedensten Patienten von Europa.

Haben wir wirklich Bedarf für eine Reform dieses Zustandes???

 

Dr.Beinl

Seitenstetten im Frühjahr 2005